Reisevorbereitungen

Abschied und Aufbruch ins Abenteuer!          (11.09.2020)

 

Im Juni wurden die Punkte auf der To-Do-Liste langsam etwas übersichtlicher. Auch die Corona-Lage verschärfte sich nicht weiter. Die „Cisco“ wurde beim Yachtclub Warnow aus dem Wasser geholt und erhielt einen neuen Unterwasseranstrich. Eine schweißtreibende Arbeit mit Schutzbekleidung bei hochsommerlichen Temperaturen, aber die Mühe lohnte sich: Nach nur 3 Tagen konnten wir wieder slippen und das Boot zurück an den Liegeplatz verholen. Zwischendurch immer mal wieder eine Prüfung – das Studium lief immer noch komplett online – und dann wieder weiter am Boot arbeiten… Eine anstrengende Zeit, die ich ohne die Hilfe von Freunden und Familie wohl nicht hätte meistern können.

Und dann war es auf einmal soweit: Die Prüfungen größtenteils durch und das Boot in einem Zustand, den man mit viel gutem Willen als „abfahrbereit“ akzeptieren könnte. Wir zogen den Abfahrtstermin kurzerhand auf den 26. Juni vor, die letzte Onlineprüfung würde ich bestimmt auch von unterwegs aus bestehen… Dinge wurden aussortiert, die ein Leben im Hafen angenehm gemacht hatten, unterwegs aber nur Stauraum blockieren würden. Anschließend schafften wir wiederum Unmengen an Lebensmitteln, Klamotten und allerlei Gedöns für die Reise wieder an Bord. Am Nachmittag kamen unsere Eltern zum Abschied in den Hafen, auch um uns noch mit ein paar lieben Geschenken für die Reise zu versorgen.

Bei dem ganzen Stress der letzten Tage vor der Abreise hatten wir sogar vergessen, rechtzeitig eine kleine Abschiedsparty zu planen. Umso überraschter waren wir, als dann doch viele unserer engen Freunde der spontanen Einladung auf einen letzten gemeinsamen Abend auf dem Schwimmsteg zusagen konnten. Es wurde ein sehr schöner Abend, für den wir Euch sehr dankbar sind! Die letzten Jahre in Rostock waren wirklich eine fantastische Zeit…

 

Auch unseren Familien und den Freunden, die an dem Abend so spontan keine Zeit hatten, uns aber bereits vorher eine schöne Reise gewünscht und so viele liebe Abschiedsgeschenke zusammengestellt haben, möchte ich nochmal herzlich danken! Durch den ganzen Vorbereitungsstress ist der Abschied selbst für uns immer weiter in den Hinterkopf gerückt, weshalb ich mehr als positiv überrascht über die vielen lieben Worte und durchdachten Geschenke war.

 

Am Tag der Abfahrt stehen Hannes, Otto von der „Baltic Finn“, Reinhardt von der „Joschiki“ und Konrad früh morgens auf, um uns zu verabschieden und die Leinen los zu werfen. Ich starte die Maschine. Lege den Gang ein. So wie schon unzählige Male vorher. Die Vorspring geht als letztes los. Die Festmacher sind alle auf Länge gespleißt und passen nur auf diesen Liegeplatz. Wir nehmen sie trotzdem mit. Die letzte Leine geht los. Rückwärtsgang rein. Drehen über Backbord. So wie immer. Aber dieses Mal fühlt es sich völlig anders an.

Konrad lässt seine Drohne über uns schweben. Der Autopilot übernimmt. An der Speedsailing-Lounge winken Freunde. Wer weiß, ob die Cisco je wieder hier in Rostock einlaufen wird. Soweit reichen unsere Pläne noch nicht.

 

Vor Groß-Klein kommt uns dann noch ein Kanu entgegen gepaddelt. Mein Papa will uns auch nochmal verabschieden und bringt bei der Gelegenheit auch gleich noch ein paar Geschenke mit. Wir packen zunächst zwei Edelstahl-Handschuhe aus. Eine geniale Erfindung, wenn man die scharfkantigen Pocken bedenkt, die ganz besonders großen Gefallen an Booten zu finden scheinen und hier deshalb auch gerne mal in großen Mengen festwachsen. Außerdem darf als Ausgleich zu unserem Berg an Konserven natürlich frische Kost nicht fehlen, weshalb wir eine Schale mit frisch gepflückten Johannisbeeren finden. Zu guter Letzt liegt in der Tüte noch ein Jahresvorrat an Toffifee‘s, der es vermag, schlechte Stimmung an Bord innerhalb weniger Sekunden zu kippen...Danke dafür nochmal!

 

Es ist wirklich ein sehr schöner Abschied. Bei leichtem Wind und sommerlichen Temperaturen segeln wir durch die Molenköpfe in Warnemünde. Für die „Cisco“ ist es das erste Mal nach über einem Jahr. Und vielleicht auch das letzte Mal…

 

 


Wie alles begann...          (07.09.2020)

 

Die Idee zu diesem Blog entsteht erst Monate nach unserer Abfahrt. Momentan liegt unsere „Cisco“ sicher am Liegeplatz in der Marina de Leixoes in Porto, Portugal. Zum ersten Mal seit Rostcok fühlen wir uns ein bisschen „angekommen“ und haben für Dinge Zeit, die wir bisher aufschieben mussten. Vieles ist passiert in den letzten Monaten. Viel zu viel um es in einem einzigen Blogartikel zusammen zu fassen. Deshalb versuchen wir uns so gut wie möglich zu erinnern um euch doch noch von Anfang an mit auf die Reise unseres Lebens mitnehmen zu können...

 

Die konkrete Idee die Leinen in Rostock los zu machen und für unbestimmte Zeit auf Langfahrt zu gehen entstand vor etwa einem Jahr bei einem gemeinsamen Drink im Cockpit der „Wombat“, einer alten Hallberg Rassy 352, die mit dem stolzen neuen Besitzer die anstrengende Rückreise aus der Karibik über den Nordatlantik hinter sich gebracht hatte. Stefan inspirierte mich mit seiner lockeren und offenherzig-entspannten Art, die man wohl automatisch bekommt wenn man jahrelang in der Karibik lebt. Endlich noch jemand am Steg, der den ganzen Tag barfuß läuft und der es ganz normal findet ein zerschlagenes Rumpffenster durch ein Küchenbrett zu ersetzen.

So sitzen wir also nun bei ihm und genießen bei stories über den Atlantik, Greneda und die Cruiser Szene unsere Drinks. In die Karibik würden wir es finanziell sicher nicht schaffen und der Abschluss des Studiums und damit unbegrenzte Reisezeit lag auch noch in weiter Ferne. Aber auch in Europa gibt es ja sonnige Ecken und Vieles, was wir noch nie gesehen haben…

 

Doch erstmal ist es nur ein Traum. Den Sommer verbringen wir mit Roadtrips und kommen eigentlich wenig zum Segeln. Als uns der Alltag wieder hat, wird es langsam kälter an Bord und wir richten das Boot für den Winterschlaf ein. Aber die Idee, den nächsten Winter vielleicht schon in Portugal zu verbringen, die gibt es noch…

 

Noch mal ein paar Monate später ist aus der Idee ein Plan geworden. Ich verbringe jede freie Minute damit am Boot zu arbeiten. Unsere 44 Jahre alte „Cisco“ ist sehr weit entfernt von Hochseetauglichkeit: 30 Jahre alte Wanten, kein Autopilot, keine Sicherheitseinrichtungen, kein AIS und ein Unterwasserschiff mit dickem Pockenpanzer. Die To-do-liste ist endlos…

Um die Reisekasse zu füllen, nehme ich eine Werkstudentenstelle bei Speedsailing an und Luisa übernimmt eine studentische Hilfskraftstelle. Trotzdem dürfen die Vorbereitungen eigentlich nichts kosten. Mit viel Improvisationsgeschick geht es an die Arbeit. So hänge ich zum Beispiel bei Eiseskälte stundenlang im Masttop um die selbst gespleißten doppelten Oberwanten und das zweite Vorstag anzuschlagen und fülle Regentonnen auf dem Vorschiff um am Heck unter der Wasserlinie neue Beschläge für den Windpiloten zu verbolzen. Ebay-Kleinanzeigen wird unterdessen zu meinem zweiten Vornahmen…

 

Den Winter verbringen wir recht einsam am Schwimmsteg. Nur Norbert von der „Aves“ wohnt unter der Woche auch an Bord. Dann sitzen wir oft bei einer Flasche Wein im einen oder anderen Salon.

Im Frühjahr kommen immer mehr Nachbarn dazu. Wir lernen Reinhardt von der „Joshiki“, einem kleinen 28 Fuß Katamaran kennen. Er hat den Winter in Südspanien verbracht und nun Ähnliches vor wie wir. Im Mai kommt Thommi mit seiner frisch erstandenen First 32 „Nice Toy“ an den Steg. Auch er möchte nur noch ein paar Monate in Deutschland bleiben um Geld zu verdienen und sein Boot vorzubereiten.

Und so sind wir plötzlich schon drei Schiffe, die gemeinsam basteln, vorbereiten und träumen. Ständig bekommen wir Hilfe und gute Ratschläge von der Steg-Community. Dazu gehören natürlich noch viel mehr Leute: Tim von der „Jade“, einem 50 Fuß Alu-Racer, Herbert und Babara von der „Becky-Thatcher“, Andy von der „Sonnenschein“…

 

Der Corona Lockdown trifft uns genau in dieser Zeit. Auch wenn ich es nicht wahr haben will, Luisa‘s Sorgen um unsere Reise sind nicht unbegründet… Vor lauter Arbeit, Studium und Bootsvorbereitung bleibt uns aber kaum Zeit zum Grübeln. Mit Vollgas geht es in Richtung des großen Termins: Anfang Juli wollen wir endgültig ablegen.