Deutschland bis Frankreich

Die letzte Etappe in Frankreich          (04.12.2020)

Eine ganze Woche bleiben wir in Cherbourg. Vor allem weil der Wind sich mal wieder stabil auf West eingepegelt hat und der schwierige, weil strömungsreiche Abschnitt um die Kanalinseln bevorsteht und ich deshalb ein gutes Wetterfenster abwarten möchte. Nach der ersten Nacht in der Marina verholen wir uns am nächsten Tag zu dem Ankerplatz direkt davor und genießen das Ankern sehr, weil wir nicht mehr jeden Tag merklich im Portemonnaie spüren…

Cherbourg selbst ist zwar dicht bebaut, wie wir die kommenden Tage feststellen, besitzt aber einen Stadtberg, von dem man eine hervorragende Aussicht über die Stadt und das angrenzende Wasser hat. Wir gehen einen ganzen Tag auf diesem Berg wandern und genießen das warme Wetter. Direkt neben einem umzäunten Militärgelände finden wir einen Schleichweg, der uns einen Blick auf das komplett grüne Hinterland gewähren lässt, das teilweise von einer Heidelandschaft überzogen ist, in der es nur so wimmelt von Hummeln und Bienen. Auf dem Rückweg zur Stadt entdecken wir dann noch einen dicht bewachsenen Wald mit den erstaunlichsten Grüntönen, in dem wir kurz verschnaufen und die Ruhe genießen, bevor es weiter an den Abstieg und zurück zum Boot geht.

Wir nutzen die Zeit in Cherbourg außerdem, um ein paar Dinge zu reparieren und die „Cisco“ auf die weitere Reise vorzubereiten. Beim ersten Versuch, den elektrischen Pinnenpiloten zu reparieren, zerstöre ich ihn endgültig. Also bin ich jetzt gezwungen, mich ernsthaft mit der Verbesserung der Windfahnensteuerung auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck scate ich mit dem Longboard stundenlang bis zum nächsten Baumarkt und besorge Holzleisten, denn die Windfahnenfläche soll vergrößert werden. Das realisiere ich am kommenden Tag auf dem Vordeck mit einer abenteuerlich anmutenden Konstruktion aus Holz, Schrauben, Leim und 2 Rollen Panzertape, das Lieblingswerkzeug des Low-Budget-Seglers. Leider komme ich mit meiner Kalkulation des Tape-Bedarfs nicht ganz hin und so wird die eine Seite in weiß und die andere in knallorgange bespannt – was künftig unser Erkennungsmerkmal für befreundete Cruiser wird. Am Abend bin ich fertig, die Konstruktion sieht waghalsig aus, wird uns aber die nächsten 1500 Meilen nur selten im Stich lassen.

Am nächsten Tag kaufen wir Diesel und Proviant ein und müssen anschließend feststellen, dass die Idee, ein SUP als einziges Dinghi mitzunehmen ein wenig zu optimistisch geplant war. Selbst alleine nur mit den Kanistern schaffe ich es kaum gegen die 6 Windstärken zurück zum Boot. Erschöpft und plitschnass stehen wir schließlich doch beide an Deck und beschließen, dass es so nicht weitergehen kann. Tagelang durchsuche ich französische Kleinanzeigen nach einem gebrauchten Dinghi – ohne Erfolg. Zähneknirschend kaufen wir das billigste Neuexemplar beim örtlichen Ausrüster. Es mutet eher an wie ein Schwimmring mit Heckspiegel, stellt sich aber als wertvolles Upgrade für uns heraus, zumal wir den passenden Motor sowieso schon an Bord haben.

Erinnert ihr euch an den springenden Meeresbewohner aus unserem letzten Blog-Beitrag? Erst dachten wir, dass sich dabei bestimmt um eine Robbe gehandelt hat. Doch eines Abends, als wir gerade mit zwei Gläsern Wein im Cockpit sitzen, den Sternenhimmel bewundern und über das Leben und alle möglichen anderen wichtigen Dinge philosophieren hören wir erneut dieses Platschen in der sonst ruhigen Bucht und sehen, wie das bis dahin spiegelglatte Wasser von vier Flossen durchbrochen wird. Ich halte das zunächst für eine optische Täuschung und vermute, dass ein paar Fische aus dem Wasser gesprungen sind. Aber die vier Flossen tauchen immer wieder und wieder auf und nähern sich in rasanter Geschwindigkeit unserem Boot. Als uns bewusst wird, dass wir gerade die ersten Delfine dieser Reise sehen und ich ganz allgemein die ersten Delfine, springen wir auf und laufen völlig begeistert an Bord hin und her, um den Platz mit der besten Aussicht zu finden. Der Moment geht viel zu schnell vorbei, wird aber als absolut magische Begegnung in meiner Erinnerung bleiben!

Am Abend des 6. August flaut der Westwind dann endlich ab. Gegen Mitternacht gehen wir Anker auf und motoren bei Flaute in respektvollem Abstand um die Kanalinseln Guernsey, Jersey und Alderney herum. 180 Meilen liegen vor uns. Trotz 5 Meilen Abstand zur Küste schiebt der Strom mit bis zu 6,5kn. Ich muss die ganze Nacht Handruder gehen und bin ziemlich glücklich als am Morgen ein leichter Nordostwind aufkommt und ich Justus das Steuern überlassen kann. Der macht seine Sache nach den neuesten Modifikationen übrigens sehr gut. Der Tag auf See vergeht mit leichten Winden um 3 Bft., viel Sonne und Entspannung. Nachts wird es ungemütlicher, bei 5-6 aus Nord können wir uns kaum in der Koje halten. Am nächsten Morgen kommt dann auch noch dicker Seenebel dazu und nicht alle Fischer scheinen ihr AIS zu benutzen…

 

Aber alles geht gut und am Nachmittag laufen wir bei bestem Sommerwetter in die Marina in Camaret sur Mer ein mit dem Wissen, dass vor uns nun ein Seestück liegt, über dass sich Segler und Seefahrer seit jeher die Haare raufen…

 

 


Die Hast durch den Ärmelkanal          (06.11.2020)

 

Fünf teure Tage verbringen wir mit Moritz in der Marina von Boulogne Sur Mer, der ewige Westwind verdirbt uns das schnelle Weiterkommen, auf das ich eigentlich gehofft hatte. Eigentlich schade, dass wir wie die meisten Cruiser den Ärmelkanal so schnell wie möglich hinter uns bringen wollen, hat die Küste doch landschaftlich und kulturell Einiges zu bieten. Aber wegen der alternativlos teuren Marinas und der anspruchsvollen meteorologischen Bedingungen in diesem Revier wird einfach in jeder segelbaren Stunde so viel Weg wie möglich nach Westen gemacht.

 

Wir hatten eigentlich nicht vor, Tagesetappen zu segeln. Aber irgendwann muss es halt einfach weitergehen und so laufen wir am Morgen des 26. Juli unter Arbeitsfock und Reff 1 hoch am Wind Richtung Dieppe. 55 Meilen liegen vor uns, eigentlich ein kurzer Sprung. Aber es wird leider sehr ungemütlich. Reff 2. brauche ich eigentlich fast nie bei unserem schweren Stahlschiff. Aber nun ist es mal wieder soweit. Wenigstens die Sonne scheint, als wir Stunde um Stunde gegen 6 Windstärken aus West anbolzen. Schön ist anders…

Kurz vor dem Hafen versuchen wir noch ein treibendes Geisternetz zu bergen. Leider ist es zu schwer für unseren Bootshaken. So bleibt es uns leider verwehrt diese Gefahr für die Tierwelt zu beseitigen.

 

Dieppe gefällt uns wiederum richtig gut und wir bleiben zwei Tage. Nur nach dem Gang ins Hafenmeisterbüro ist mir wieder ein bisschen schlecht. Wir müssen wirklich irgendwo einen Ankerspot finden denke ich noch, als wir am nächsten Tag abwechselnd unter Maschine und hoch am Wind segelnd die nächsten 55 Meilen nach Le Havre zurücklegen.

Was rauscht denn da so in der Backskiste? Mir wird ein bisschen mulmig als ich die Luke anhebe und unter den Batteriebänken so um die 50 Liter Wasser hin und herschwappen sehe. Eine ekelhafte Kostprobe sorgt für Gewissheit: Salzwasser! Oh shit…

Aber erstmal suchen wir uns einen Platz in der riesigen Marina von Le Havre, kochen Curry mit Reis aus den Resten, die wir noch finden und stoßen auf die schönen gemeinsamen 2 Wochen an.

 

Um 5 Uhr morgens klingelt der Wecker. Im Sonnenaufgang wandern Moritz und ich zum Bahnhof. Die Luft ist mild und auf den Straßen ist noch niemand unterwegs. Unwillkürlich muss ich an meinen letzten Besuch dieser Stadt denken. Mit 16 war ich schon einmal zum deutsch-französischen Segeltraining für ein paar Wochen hier. Eine Ewigkeit her. Aber als ich Moritz verabschiedet habe und alleine durch die Straßen an den gleichen Orten wie damals schlendere, kommt es mir vor, als wäre es gerade erst gestern gewesen…

 

Noch schnell ein paar Sachen eingekauft, das Schiff aufgeräumt und schon sind wir wieder unter Segeln. Das Leck in der Backskiste ist in Wirklichkeit nur eine abgerutschte Schlauchschelle am Lenzrohr gewesen, also alles gut. 74 Meilen nach Cherbourg liegen vor uns. Luisa geht es nicht so gut. Eigentlich hätten wir uns eine Pause verdient denke ich, aber der Nordostwind darf einfach nicht ungenutzt bleiben. Die ganze nächste Woche sieht es düster aus mit Segeln und in Cherbourg soll man endlich ankern können. Noch eine Woche in der Marina und wir sind pleite…

Die Cisco rennt. Trotz Gegenstrom laufen wir satte 5 Knoten, durchs Wasser müssen es also über 8 sein. Ich will nicht reffen und der elektronische Autopilot macht ungesunde Geräusche, also wechseln wir uns mit Steuern ab. Selbst bei diesem starken Wind kann die Windsteueranlage nichts ausrichten, wirklich enttäuschend…

Gegen halb 10 schläft der Wind völlig abrupt ein und im nächsten Moment finden wir uns in einem Hexenkessel aus Strömungskanten und Kabbelsee wieder. Wellen schwappen über Deck, als wir unter Maschine die letzten 3 Stunden bis Cherbourg zurücklegen. Kurz nach Mitternacht machen wir in der Marina fest. Jetzt erstmal durchatmen und ein paar Tage ausruhen…

 

 

Obwohl wir uns eigentlich sehr auf den Ankerplatz freuen, machen wir dann doch zunächst in der Marina fest. Das hat den einfachen Grund, dass es stockdunkel ist, als wir die erste Mole hinter uns lassen. Der Versuch, den Ankerspot, der direkt hinter dieser Mole liegt, anzulaufen beenden wir dann recht schnell, als wir plötzlich umzingelt sind von Fischerfähnchen...das ist wirklich jedes Mal wieder ein Schreckensmoment, insbesondere wenn es dunkel ist. Matthi überlegt noch kurz, ob wir es nicht weiter versuchen sollten, doch ich bin mir sehr sicher, dass ich nach dem heutigen Tag, der mit schlimmsten Bauchkrämpfen startete und Seekrankheit endete nicht bereit bin, im Dunkeln in einer Leine hängen zu bleiben und mitten in der Nacht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Also drehen wir um und ich stelle mich aufs Vordeck mit einer Taschenlampe und versuche alle Fischerfähnchen im Umkreis zu erkennen und lautstark an Matthi weiterzugeben während wir in Richtung der zweiten Mole fahren hinter der die Marina liegt. Mitten in diesem nervenaufreibenden Szenario taucht dann in einiger Entfernung plötzlich etwas Großes aus dem Wasser auf und springt wieder hinein...kurze Zeit später ist dieses undefinierbare springende Lebewesen dann gefährlich nahe an unserem Boot und ich ducke mich instinktiv, weil mir das Ganze doch etwas unheimlich vorkommt und ich den Meeresbewohnern je näher wir dem Atlantik kommen immer weniger traue...es platscht noch ein paar Mal neben dem Boot und dann ist es wieder still…wir denken zunächst, dass es sich um eine große Robbe gehandelt haben könnte. Erst etwa eine Woche später wird uns dann durch ein besonderes nächtliches Erlebnis in der gleichen Bucht bewusst, was für ein Tier uns da wahrscheinlich bei der Einfahrt in die Marina begleitet hat...


Herzlicher Empfang in Frankreich...          (06.11.2020)

Die Getriebeprobleme sollten uns noch ein paar Tage begleiten. Unvergesslich sind die Blicke der anderen Yachties in der Schleuse, als ich den 3 PS Jockel ans Schiff schraube, weil die Kraftübertragung von Maschine zum Saildrive bei 20kn Gegenwind fast vollständig den Geist aufgegeben hatte. Mein sowieso schon arg erschüttertes Restvertrauen in Maschinenanlagen auf Booten wird erneut strapaziert…

Aber irgendwie schaffen wir es dann doch noch in die extrem enge Marina in Amsterdam und verbringen ein paar wirklich schöne Tage zusammen mit Hannes und Juan, die uns hier besuchen kommen.

Mittlerweile ist es Mitte Juni und Moritz, ein guter Freund aus Seglerjugend-Zeiten hat sich zu Besuch angemeldet. In drei Tagen wollen wir ihn in Den Haag vom Bahnhof abholen, also heißt es wieder mal „Leinen los“ und zurück auf die Nordsee. Ijmuiden wählen wir spontan als Zwischenstopp ab, denn der Hafen ist und zu teuer, laut, dreckig und der Geruch durch die naheliegenden Industriegebäude ist auch nicht gerade verlockend. Also segeln wir bei starkem Nordost in die Nacht hinein. Dass wir immer noch kein funktionierendes Funkgerät an Bord haben, fällt uns nun noch einmal auf die Füße, als wir kurz nach Mitternacht hinter den Molen das Großsegel bergen und in den Hafen von Den Haag einlaufen. Der Hafenmeister rennt uns auf der Kaimauer wie von der Tarantel gestochen hinterher und ruft immer wieder Unverständliches zu uns herüber. Ich meine ab und zu „Channel 14“ herauszuhören, gebe mich unbeeindruckt und verschwinde im Marinabecken. Leider ist der lächerlich kleine Besucherbereich komplett überfüllt und wir müssen zurück in den Vorhafen, um dort als dritte Yacht ins Päckchen zu gehen… Erschöpft fallen wir in die Koje und werden kurze Zeit später vom Wecker aus dem Schlaf gerissen. Das allmorgendliche Gerangel der Päckchenlieger geht los. Wir warten etwas ab, bis sich das schlimmste Chaos gelegt hat und gehen dann als erste Yacht an die Pier, direkt hinter dem Volvo 65 „Childhood“.

 

Es werden entspannte Tage in Den Haag in denen wir mal wieder ein paar flüchtige Bekanntschaften zu anderen Cruisern schließen. Am 21.07. hole ich Moritz vom Bahnhof ab, zu Fuß sind es ca. 1,5 Stunden pro Strecke… Noch am selben Tag machen wir seeklar und legen ab mit Ziel Frankreich. Vor uns liegen 140 Meilen bis Boulogne Sur Mer. Von Amwindkurs bis Spinnakersegeln und leider auch vielen Motorstunden ist alles dabei und wir nutzen die Zeit, um das Erlebte der letzten Woche auszutauschen. Nach 27 Stunden machen wir fest in der Marina in Bologne Sur Mer. Als ich am nächsten Morgen das Liegegeld bezahle, muss ich drei Mal schlucken. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich noch nicht, dass alle weiteren französischen Marinas auf unserem Weg mindestens genauso teurer sein würden…

 

Die Überfahrt von Den Haag nach Boulogne Sur Mer war unsere erste längere Strecke auf offenem Gewässer und auch die erste Nachtfahrt, weshalb es mich wirklich freute, dass noch eine weitere Person mehr mit Segelerfahrung an Bord war. Irgendwie hatte ich doch mit mehr Ängsten zu kämpfen als gedacht. Was, wenn jemand über Bord geht, große Tiere vorbeikommen, jemand sich verletzt...um mal einen kurzen Einblick in meine vorrangig völlig unbegründeten, aber durchaus als real empfundenen Sorgen zu geben...Allein die Anwesenheit einer weiteren Person und die glücklicherweise auch leichteren (Segel-)Bedingungen auf dieser Strecke halfen mir hierbei sehr. Außerdem konnten wir einen der schönsten Sonnenuntergänge der Reise bestaunen und viele Robben tauchten auf dem Weg auf, um sich über Wasser umzusehen oder einfach nur zu schlafen. Ich habe meine erste Baby-Robbe gesehen, die am Boot vorbei geschwommen ist und mit ihren riesigen Augen im Vergleich zum kleinen Körper tatsächlich aussah wie die bekannten Trickfilmfiguren oder Kuscheltiere. Als dann auch noch, kurz nachdem wir in französischen Gewässern angekommen waren, wie als Willkommensgruß ein Baguette am Boot vorbei trieb, wurde mir bewusst, dass wir es tatsächlich mit der „Cisco“ über die nächste Ländergrenze geschafft hatten!

 

Am zweiten Tag in Boulogne Sur Mer laufen wir aus für ein kurzes Rendez-vous auf See. Unsere Freunde von der „Qualle“, die gerade auf der Rücküberführung vom Mittelmeer sind, übergeben uns Sattellitentelefon, Raki und den Müll der letzten Tage. Wir revanchieren uns mit einer Flasche Gin und sind glücklich, dass man sich mal wieder gesehen hat.

Ich habe keine Ahnung, ob dieses dubioses Treffen auf See ein Auslöser dafür war. Jedenfalls werden wir nach einem ausgiebigem Abend am nächsten Morgen (für unsere Verhältnisse) sehr früh und unsanft von drei Uniformierten geweckt, die ich schlaftrunken im Cockpit ausmachen kann. Noch in Unterhose und etwas neben mir biete ich ihnen Kaffee an. Sie lehnen dankend ab und wollen stattdessen die Schiffspapiere sehen und durchsuchen jeden Winkel. Unter Deck herrscht das blanke Chaos. Der durchsuchende Beamte tut mir ehrlich leid und wirkt auch immer unzufriedener mit der Gesamtsituation. Ich muss Verkleidungen abschrauben, die seit 40 Jahren niemand mehr angefasst hat. Naja, wenn‘s hilft…

Gerade so entgehen wir einer Strafe, weil ich die Registrierung für die „Cisco“ nicht dabei habe.

Nachdem sich der Zoll verabschiedet hat, bleiben wir etwas schockiert im Cockpit zurück. Erstmal Baguette holen…. Ich glaube wir sind wirklich in Frankreich angekommen…

 

 


Klappbrücken, Schleusen und Getriebeprobleme…          (11.10.2020)

 

Mit unserer Kanister-Konstruktion schafften wir es tatsächlich vollkommen problemlos durch den Nord-Ostsee-Kanal. Im Büdelsdorfer Yachtclub legten wir eine Pause ein - hier hatte ich mit der Cisco auch schon einmal auf dem allerersten Überführungstörn in den neuen Heimathafen nach Rostock gelegen. Der Hafen ist günstig, liegt mitten in der Natur und ist mit einem kostenlosen Fahrradverleih ausgestattet, sodass man innerhalb kürzester Zeit in Rendsburg ist – ein absoluter Geheimtipp von uns also! Am nächsten Tag ging es nach der zweiten Kanalhäfte und der Brunsbütteler Schleuse gegen eine kurze, ruppige Elbwelle bis nach Cuxhaven.

Die folgende Woche verging mit Tank leer schöpfen und ausbauen, Leitungen ersetzen, neuen Tank einbauen und anderen erholsamen Tätigkeiten. Mein Vater brachte uns die neuen Teile und half tatkräftig beim Basteln. Dabei blieb uns der norddeutsche Sommer mit 15 Grad, Sturm aus West und Dauerregen treu und sorgte für zusätzliche gute Laune.


Am 08.07. laufen wir um 04:30 guter Dinge aus. Es ist Hochwasser, beste Voraussetzungen um die stromreiche Elbmündung trotz nordwestlichem Gegenwind in Angriff zu nehmen. Heftig stampfen wir unter Maschine gegen die Wellen an. Nicht schön, aber funktioniert dank Schiebestrom. Wir wollen endlich weiter.

Als wir an der Ansteuerung abfallen, können wir endlich Segel setzen und das Leben wird wieder erträglicher. Sogar an Frühstück ist zu denken. Es wird doch noch ein ganz netter Segeltag und wir sehen sogar das erste Mal auf diesem Törn Schweinswale und Robben! Nach knapp 70 Meilen laufen wir den Yachthafen auf Norderney an.


Auf etwas wackeligen Beinen (man nennt das wohl auch „Seebeine“) gehen wir abends an Land und machen einen Spaziergang über die Insel. Norderney hat wirklich so einiges zu bieten! Auf der Südseite sehen wir eine ausgeprägte Wattlandschaft mit den entsprechenden Vögeln und überall springen Kaninchen herum. Die Dünenlandschaft im Norden der Insel kann ich ebenfalls sehr empfehlen, auch wenn sie mittlerweile durch die fleißigen hoppelnden Tunnelgräber weitestgehend unterhölt worden ist. Wir erleben einen wunderschönen Sonnenuntergang und können sogar noch eine Eule beobachten!


Der nächste Morgen empfängt uns mit eisigen Temperaturen und Regen. Sommer? War da nicht was? Naja... Wir laufen aus mit Ziel Borkum. Heute nur 45 Meilen. Spät abends gehen wir als dritte Yacht ins Päckchen im Schutzhafen und träumen vom Sonnenwetter in Spanien...

Das Wetter in Deutschland aber bleibt ungemütlich, auch als wir am nächsten Morgen in aller Frühe Segel setzen und uns anschließend bei Dauerregen in der Koje verkriechen. Der Autopilot macht einen guten Job, nur selten muss ich zum Ausweichen ins Cockpit.


Als wir gegen Mittag in Delfzijl vor der ersten Schleuse stehen, fällt uns auf, dass das Funkgerät nicht arbeitet. Während wir durch das erste Stück holländischen Kanal tuckern, bemühe ich das Internet um Erklärung. Die Fehlermeldung auf dem 30 Jahre alten Display des antiquierten Shipmate UKW ist bereits breit diskutiert in den einschlägigen Foren. Der Konsens: Zeit für die Tonne. Oh man… kommt jetzt wirklich jede Woche etwas Neues? Dafür ist unser Budget nicht ausgelegt denke ich noch, als ich wieder ins Cockpit klettere und das erste Mal seit Tagen die wärmende Sonne auf der Haut spüre. Die Landschaft hier ist typisch holländisch und mir kommt der Gedanke, dass wir schon wirklich weit gekommen sind. Ein schönes Gefühl!

Als wir abends in die super enge, aber wunderschöne Marina in Groningen einlaufen, ist der Ärger über die defekte Funke längst vergessen. Was soll‘s. Kriegen wir auch wieder hin.


Es werden wunderbar friedliche Tage auf der „Staande Mast Route“. Mal liegen wir fernab der nächsten Siedlung in einer Kanalbiegung mitten in der Natur, dann wieder irgendwo mitten im Stadtzentrum. Die Niederlande gefallen uns immer mehr. Auch die vielen Brücken und Schleusen, die ein schnelles Vorankommen und „Meilen machen“, wie wir es sonst bei günstigen Wetterlagen gewohnt sind, unmöglich machen, vertiefen nur die Entspannung, die diese Tage uns vermitteln. In Harlingen verlassen wir den Kanal ins Wattenmeer und finden uns wenig später in einer vollgepackten Schleusenkammer wieder. Und noch so ein herrlicher, leichtwindiger Segeltag. Es ist so sommerlich, dass wir sogar mitten auf dem Ijsselmeer eine Duschpause auf dem Vordeck einlegen. Abends fällt der Anker auf gerade mal zwei Meter Tiefe im Hafen von Enkhuizen.


Wir müssen einkaufen, trotz des Regens, der uns am nächsten Tag empfängt. Alles wird nass und das nicht nur, weil wir uns beide und die schweren Taschen auf einem SUP, seit Jahren unser einziges „Dinghi“, raus auf die Ankerbucht transportieren müssen.

Die Ausbeute ist allerdings, wie immer in den Niederlanden, hervorragend! Wir haben bisher noch kein Land gesehen, was so eine große Auswahl an Hummus und diversen vegetarischen/veganen Gerichten anbietet, weshalb wir eigentlich jeden Tag am Schmausen sind.

Abends bessert sich das Wetter und wir gehen Anker auf um den kurzen Sprung bis nach Hoorn zu machen. Wieder wunderbares Segeln, hoch am Wind bei Windstärke 4-5 und komplett ohne Welle. Fantastisch.


 

Beim Ankermanöver dann leider wieder echten Grund zur Sorge: Der Rückwärtsgang macht sehr einschüchternde Geräusche und es ist eine deutliche Unwucht zu bemerken. Oh shit. Ans Getriebe kommt man bei der „Cisco“ nur heran, wenn die Maschine ausgebaut wird. Ein unvorstellbar aufwendiges und teures Szenario. Ich probiere es mit ein paar gut gemeinten Gangwechseln. Nächster Versuch. Das gleiche Bild...


Dieselpest und andere Katastrophen…          (28.09.2020)

 

Endlich! Wir segeln! Die Warnemünder Molen verschwinden langsam im Kielwasser und ein warmer Südwind schiebt uns langsam aber sicher unter Schmetterling Richtung Fehmarn. Eigentlich ist zu wenig Wind für unsere schwere “Cisco”, was uns allerdings gar nichts ausmacht, weil wir die Ruhe auf dem Wasser genießen. Nach all diesen stressigen Wochen und dem gerade hinter uns liegenden emotionalen Abschied aus Rostock bin ich einfach unendlich froh darüber auf der Ostsee zu sein und endlich einmal nichts Anderes zu tun zu haben als zu genießen.

Außerdem haben wir noch nicht gefrühstückt. Unser Pinnenpilot, ein alter Autohelm 2000, übernimmt das Steuern. Wir nennen ihn spontan „Helmut“ und sind richtig happy über die neu gewonnene Bewegungsfreiheit an Bord. Der Wind nimmt langsam ein bisschen zu und mit 5kn laufen wir Halli entgegen. Es ist ein herrlicher erster Segeltag und der perfekte Start dieser Reise!

Im Yachthafen von Heiligenhafen nimmt Mo uns die Leinen an, der hier gerade mit seiner Familie Urlaub macht. Es werden ein paar schöne folgende Tage in Halli, denn Mo und ich haben uns lange nicht gesehen und es gibt viel zu erzählen. Dieses recht spontane und zufällige Wiedersehen lässt Heiligenhafen zu einem wirklich gelungenen ersten Reisestopp werden!!

Und so fällt es uns auch nicht weiter schwer ein paar Tage zu warten bis sich endlich ein Wetterfenster für den nächsten Schlag nach Westen bietet. Am 28. Juni bereiten wir uns abends aufs Auslaufen vor. In der Nacht soll der Wind endlich für ein paar Stunden auf Süd gehen. Klingt vielversprechend! Wir werden von Mo und seinen Eltern mit den lieben Worten „und meldet euch bitte, falls ihr irgendwann einmal Hilfe braucht..“ verabschiedet. Leinen los, Rückwärtsgang rein und aus der Box heraus mit 2kn Fahrt achertaus. Drehung einleiten. Vorwärtsgang rein, etwas mehr Drehzahl geben...komisch…noch etwas mehr… Wir gehen immer noch achteraus…

 

Mittlerweile liegen wir quer im Hafenbecken. Ich wusel auf dem Vordeck etwas undynamisch hin und her in dem Versuch, das Boot vorläufig an den Dalben zu fixieren und gleichzeitig mit zu überlegen, warum wir hier eigentlich nur noch herumtreiben. Während Matthi fieberhaft die verschiedenen Maschinen- und Propellerschäden gedanklich durchgeht, kann ich mit meinem derzeitig noch stark unterentwickelten Verständnis von Maschinen allerdings nur ab und zu unterstützend nicken und die Idee äußern, Mo und seine Familie zu kontaktieren. Die haben uns ja schließlich netterweise ihre Hilfe angeboten, auch wenn sie vermutlich nicht mit einer derartig zeitnahen Inanspruchnahme gerechnet haben...15 Minuten später, nach einem Anlegemanöver der etwas anderen Art mit vielen langen Leinen, liegen wir schließlich wieder in einer Box. Mo und Klaus sind auch wieder da und gemeinsam überlegen wir, was uns denn nun in diese Lage gebracht haben könnte. Ein Tauchgang bringt schließlich die Gewissheit: Unser Propeller hat sich erfolgreich verabschiedet...

 

Die anfänglich großen Sorgen wegen der Kosten und Verzögerung, die dieses Malheur leicht hätte verursachen können, weichen zum Glück schon am nächsten Tag der Erleichterung. In der örtlichen Sportbootwerft hat man noch eine gebrauchte Schraube mit der passenden Steigung auftreiben können. Wir fahren mit dem kleinen Außenborder zur Werft, werden dort direkt gekrant, die neue Schraube wird angebaut und schon am frühen Nachmittag schwimmt die „Cisco“ wieder. Wir sind wieder handlungsfähig! Und das auch noch zu einem unglaublich fairen Preis… Vielen vielen Dank!

 

Aber das Wetterfenster haben wir verpasst. Nach weiteren 3 Tagen in der Marina schwächt sich der Westwind zumindest auf 20kn ab und wir können los. Kreuzen. Super nervig mit unserem überladenen Kahn und den 30 Jahre alten Segeln. Aber es muss sein… wir wollen schließlich weiter.

 

Tja...kreuzen bei Wind und Welle ist so eine Sache für sich...mittlerweile weiß ich, dass dies die drei magischen Wörter für Seekrankheit sind...dementsprechend lag ich den Großteil dieses Segelabschnittes in der Hundekoje und habe versucht mit Essen, Schlafen und Reisetabletten meine Übelkeit in den Griff zu kriegen..Eine große Hilfe konnte ich dadurch leider nicht sein. Da wir dieses mögliche Szenario allerdings vorher schon besprochen hatten und Matthi glücklicherweise Verständnis für diese hinterlistige und unbrauchbare Krankheit zeigte, durfte ich mein schlechtes Gewissen auf ein Minimum reduzieren.

 

An der Ansteuerung Kiel erfahren wir dann den nächsten Rückschlag: Bei immer weiter abnehmendem Wind beschließen wir,die letzten 12 Meilen zu motoren. Doch nach nur einer Stunde fängt die Maschine an zu stottern und stirbt dann ganz ab. Meine erste Idee: Vielleicht ist der Tankgeber defekt und wir haben einfach keinen Diesel mehr? Doch auch nachdem ich 20L nachgeschenkt habe, geht nichts… Also vielleicht der Filter dicht? Ich krame hektisch irgendwo einen neuen Leitungsfilter hervor und siehe da, läuft wie die Biene! Schnell weiter die Kieler Förde rauf, weit ist es ja nicht mehr und wir wollen heute noch schleusen.

Eine halbe Stunde später wieder stottern. Ich inspiziere den Filter: komplett schwarz! Das kann doch nicht wahr sein! Ich ahne Böses… Nur noch 4 Meilen… Mit Glück schaffen wir es mit einem weiteren Leitungsfilter bis vor die Schleuse…

Natürlich nicht. Als wir den Leuchtturm Friedrichsort passieren, beginnt das Stottern wieder. Und der Gegenwind nimmt auch zu. Eine Gewitterfront zieht auf. Verdammt.. Hier ist es zu eng, um eine Viertelstunde rumzudriften und den Filter zu wechseln! Ich hänge den 3PS Jockel ans Heck, rolle die Fock wieder aus und mit viel Geduld schaffen wir es an die Dalben einer Steganlage direkt vor dem Trockendock. 2 Minuten später brechen 40kn Böen, Blitze und Trommelregen über uns herein. Zeit durchzuatmen. Ein warmes Getränk. Filter befüllen und tauschen. Die Kraftstoffleitungen schraube ich vom Tank ab und hänge sie direkt in einen 20L Kanister. Funktioniert einwandfrei. Wir verlegen uns an den Wartesteg vor der Schleuse. Erneut frage ich Klaus, diesmal telefonisch, um fachmännischen Rat. Die Diagnose fällt sehr eindeutig aus. Wir haben die Dieselpest an Bord...

Vor uns liegen 100 Kilometer Nord-Ostsee-Kanal. Wird schon schiefgehen…